Wenn es mit dem Kinderwunsch über einen längeren Zeitraum nicht klappt, dann ist es sinnvoll, die Ursachen medizinisch abklären zu lassen. Meist sind es zuerst einmal die Frauen, die während einer Routineuntersuchung beim Gynäkologen ihren Hormonstatus bestimmen lassen.
Zeigen sich hierbei keine Auffälligkeiten, so sollten Sie als Mann ebenfalls einen Facharzt aufsuchen, bevor Ihre Partnerin weitere aufwändige Diagnoseverfahren – etwa eine Bauchspiegelung – auf sich nimmt. Schließlich liegen die Ursachen einer Fertilitätsstörung in etwa der Hälfte der Fälle beim Mann. Zwar scheuen viele Männer im ersten Moment vor dem Besuch eines Facharztes zurück, doch sollten Sie Ihre Hemmungen bei einem unerfüllten Kinderwunsch dennoch überwinden.
Sowohl Urologen als auch Andrologen können die Untersuchung durchführen. Urologen beschäftigen sich mit allen Organen des Harnsystems. Gleichzeitig behandeln sie aber auch Störungen der männlichen Geschlechtsorgane. Die Andrologie (Männerheilkunde) ist ein medizinisches Gebiet, bei dem verschiedene Fachrichtungen zusammenarbeiten. Dementsprechend sind Andrologen Spezialisten auf dem Gebiet der männlichen Fortpflanzung. Sehr oft handelt es sich hierbei um Urologen mit einer Zusatzqualifikation, für die die Diagnose und Behandlung eines unerfüllten Kinderwunsches zu den Hauptaufgaben gehört.
Vorgespräch beim Arzt
Bevor der Urologe mit seiner Untersuchung beginnt, wird er Ihnen ausführliche Fragen über Ihren allgemeinen Gesundheitszustand stellen. So interessiert er sich beispielsweise für chronische Krankheiten – wie Diabetes mellitus – oder für zurückliegende Chemotherapien, ebenso wie für Unfälle oder Operationen im Bereich der Geschlechtsorgane. Eine Mumpserkrankung im Jugend- oder Erwachsenenalter gibt dem Arzt Hinweise auf eine mögliche Ursache der Unfruchtbarkeit. Auch wird der Mediziner in Erfahrung bringen, wie lange Ihr Kinderwunsch bereits besteht, ob Sie regelmäßig Medikamente einnehmen, ob Erbkrankheiten in der Familie auftreten und ob Sie beruflich oder privat häufig sehr starker Hitze oder schädlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind. Sind Erektionsprobleme der Grund für den unerfüllten Kinderwunsch, so ist dies für den Mediziner natürlich ebenfalls von Bedeutung, da die Therapie dann gänzlich anders aussieht als beispielsweise bei schlechter Spermienqualität.
Körperliche Untersuchung
Nun tastet der Mediziner Ihren Hodensack mit den darin befindlichen Hoden und Nebenhoden ab. So kann er beispielsweise eine Hodenkrampfader (Varikozele) bemerken. Die Prostata und die Bläschendrüsen erreicht er über den Enddarm. Mithilfe einer schmerzlosen Ultraschalluntersuchung kann der Facharzt ebenfalls Auffälligkeiten der Geschlechtsorgane und der Harnwege feststellen. Der Mediziner wird außerdem Ihren Penis und die Brustdrüsen prüfen.
Untersuchung des Spermas
Die Qualität der Spermien gibt Aufschlüsse über eine mögliche Unfruchtbarkeit. Deshalb wird das Sperma unter dem Mikroskop auf die Anzahl, die Form und die Beweglichkeit hin untersucht. Hierzu müssen Sie frische Samenflüssigkeit abgeben, die Sie durch Masturbation gewinnen. Um eine Aussage über die Qualität Ihrer Samen treffen zu können, müssen Sie mehrere Tage zuvor enthaltsam gewesen sein. Die meisten Ärzte halten drei Tage ohne Sex für ausreichend, doch die genaue Dauer wird Ihr Mediziner mit Ihnen absprechen.
Spermiogramm verstehen
Sie erhalten nach der Auswertung ein so genanntes Spermiogramm, in dem die gemessen Zahlen und die Normwerte aufgelistet sind. Nach den Kriterien der WHO (Weltgesundheitsorganisation) gelten seit dem Jahr 2011 beispielsweise 1,5 Milliliter Spermavolumen als normal. 15 Millionen Spermien in einem Milliliter Samenflüssigkeit sind, laut der weltweiten Auswertungen, ausreichend für eine erfolgreiche Befruchtung, wobei von den Samenzellen etwa 40 Prozent beweglich und 58 vital sein sollten. Darüber hinaus werden die Anzahl der Leukozyten (weißen Blutkörperchen), die Verflüssigungsdauer und der pH-Wert des Spermas diagnostiziert.
Viele Mediziner arbeiten noch mit den älteren WHO-Richtlinien, deren Werte sich teilweise von der aktuellen Version unterscheiden. Außerdem können die Mengenangaben – trotz Standardisierung – von Labor zu Labor variieren. Aufkommende Fragen zum Spermiogramm sollten Sie daher mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen.
Eine ausführliche pdf-Datei der WHO zur Auswertung von Spermiogrammen finden Sie unter: http://whqlibdoc.who.int/publications/2010/9789241547789_eng.pdf. Die Normwerte sind in der Tabelle A1.1 auf Seite 238 beschrieben.
Spermiogenese
Da der männliche Körper kontinuierlich neue Samenzellen produziert (Spermiogenese), ist es bei einem von der Norm abweichenden Spermiogramm sinnvoll, die Untersuchung nach zwei bis drei Monaten zu wiederholen. Denn ein Spermiogramm zeigt immer nur die momentane Situation. Ist die Spermienqualität erniedrigt, besagt dies nicht, dass Sie absolut unfruchtbar sind. Auch Männer mit weniger Spermien können durchaus Kinder zeugen, denn es handelt sich bei den Richtwerten lediglich um Durchschnittswerte fruchtbarer Männer. Bei einer leicht verminderten Spermienqualität ist die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Befruchtung pro Zyklus lediglich etwas herabgesetzt. Die Chancen lassen sich aber beispielsweise durch eine ausgewogene Ernährung oder bestimmte Nahrungsergänzungsmittel, die möglichst viel L-Arginin enthalten, verbessern. Je schlechter die Spermienqualität allerdings ist, desto unwahrscheinlicher ist eine erfolgreiche Zeugung auf natürlichem Weg.
Die verminderte Qualität der Spermien sagt außerdem nichts über die Ursachen der Unfruchtbarkeit aus. Das Spermiogramm zeigt lediglich, dass der Grund des unerfüllten Kinderwunsches bei Ihnen zu finden ist.
Blutuntersuchung
Manchmal sind Blutuntersuchungen sinnvoll, um hormonelle Unstimmigkeiten zu erkennen. Denn auch ein Mangel an Testosteron kann die Ursache einer Unfruchtbarkeit des Mannes sein. Die Hormonwerte können dann von Bedeutung sein, wenn sich sehr wenige Samenzellen im Ejakulat befinden, ohne dass hierfür andere Gründe bekannt sind.
Fruchtbarkeit steigern
Für diesen Fall wird oft empfohlen, L-Arginin haltige Mittel zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion einzusetzen. Denn L-Arginin kann die Anzahl und Beweglichkeit der Spermien vervierfachen – und verbessert quasi nebenbei noch die Erektionsfähigkeit.
Ebenso lassen sich per Blutuntersuchung einige genetische Defekte, etwa eine veränderte Chromosomenzahl, erkennen. Hierzu werden die Zellen einer Blutprobe im Labor vermehrt und anschließend auf Fehler im Erbmaterial hin untersucht.
Hodenbiopsie (Gewebeprobe)
Ergibt sich ein sehr schlechtes Spermiogramm, so können Sie auf Wunsch eine Hodenbiopsie durchführen lassen. Denn mithilfe einer Gewebeprobe stellt der Mediziner fest, ob Sie überhaupt Spermien produzieren. Sie erhalten hierzu eine lokale Betäubung, so dass Ihnen bei einem operativen Eingriff mittels einer Nadel ein Stück Hodengewebe entnommen werden kann. Auch ist eine Spinalanästhesie (Rückenmarksbetäubung) oder eine Vollnarkose möglich. Das Gewebe kann unter dem Mikroskop auf vorhandene Samenzellen hin untersucht werden.
Das gesamte Verfahren der Hodenbiopsie dauert in der Regel nur etwa 20 Minuten. Nach dem Eingriff kann der Hoden einige Tage schmerzen. Auf Sex sollten Sie im Anschluss etwa zwei Wochen verzichten.
Mediziner raten meist nur dann zu einer Hodenbiopsie, wenn Sie und Ihre Partnerin eine künstliche Befruchtung in Erwägung ziehen. Um später auf eine weitere Operation zu verzichten, empfiehlt es sich dann, die möglicherweise gefundenen Samenzellen direkt einzufrieren, um sie für die folgende Kinderwunschbehandlung aufzubewahren.